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Multipolar oder bipolar - Wie sieht die Welt von morgen aus? - Kühlen Kopf bewahren!

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Kühlen Kopf bewahren!
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Hört nicht auf die Person, die Antworten hat, hört auf die Person, die Fragen hat.
      Albert Einstein

Multipolar oder bipolar - Wie sieht die Welt von morgen aus?


Trump, Putin und der Frieden in der Ukraine
(oder: Schöne neue Welt?)

Am 20. Januar 2025 ist Donald J. Trump für eine zweite Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) vereidigt worden. Seitdem hat er sowohl sein eigenes Land als auch die Verhältnisse auf dem gesamten Globus in einem schier unvorstellbaren Tempo und einer ebensolchen Weise verändert. Letzteres vor allem dadurch, dass er für mehr Unsicherheit gesorgt hat: die meisten Länder dieser Welt sind mit teils exorbitanten Zöllen überzogen worden, die teils noch nicht einmal ökonomische (wirtschaftliche), sondern vielmehr politische Stoßrichtung haben (so wurde Brasilien mit 50%igen Einfuhrzöllen überzogen, weil in dem Land ein Strafprozess gegen den ehemaligen rechtsgerichteten Präsidenten Jair Bolsonaro wegen des Verdachts eines Putschversuchs läuft, was für Trump eine „Hexenjagd“ darstellt), und so das etablierte System des Welthandels mit noch unabsehbaren Folgen erheblich beeinträchtigt, und der Entwicklungshilfe-Organisation USAID wurde nahezu die komplette Finanzierung gestrichen, was in vielen Teilen der Welt die Armutsproblematik erheblich verschärfen wird (und auch bereits verschärft hat. Herausgreifen möchte ich hier jedoch die komplett veränderte Haltung der USA zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die ich in engem Zusammenhang sehe mit einer sich möglicherweise gerade etablierenden (oder doch schon etwas länger vorzufindenden?) Weltordnung. Doch der Reihe nach:

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Sieg der Alliierten (USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion [UdSSR]) über Hitlerdeutschland hatten sich zwei sich gegenüberstehende Blöcke gebildet: der „freie Westen“ unter Führung der USA und der kommunistische Ostblock“ mit der UdSSR an der Spitze. Andere Staaten – etwa die des „globalen Südens spielten keine oder allenfalls eine untergeordnete Rolle. Mit dem Ende der UdSSR änderte sich diese Situation grundlegend: Der Gegenpol zur „freien Welt“ war quasi weggebrochen; für eine kurze Zeit konnte man von einer unipolaren“ Welt sprechen. Für dieses Selbstverständnis spricht auch eine (umstrittene und durchaus als kontraproduktiv für den weiteren Fortgang der Geschichte anzusehende) Äußerung des seinerzeitigen US-Präsidenten Barack Obama, der 2014 nach der Annexion der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim durch Russland dieses in diesem Zusammenhang als „Regionalmachtbezeichnete. Spätestens nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 standen sich die Russische Föderation und die USA wieder eher feindselig gegenüber, und zudem entwickelte der russische Präsident Wladimir Putin eine immer stärker werdende Aversion gegen „westliche“ Werte wie Freiheit, Vielfalt und (sexuelle) Toleranz. Immer stärker fordert er eine multipolare“ Weltordnung, in der die Werte nicht nur von einem Land gesetzt werden dürften.

Mit dem erwähnten 20. Januar 2025 könnten sich diese Bemühungen Putins ein wenig relativieren. Donald Trump, dessen republikanische Parteifreunde sich schon vor seinem Amtsantritt redlich bemühten, weitere militärische und vor allem finanzielle Hilfen für die Ukraine zu verhindern, vollzog in der Ukraine-Politik seines Landes eine nahezu 180-Grad Wende. Bereits in seinem Wahlkampf hatte er angekündigt, den Krieg „in 24 Stunden beenden“ zu können. Telefonate mit Wladimir Putin führten recht rasch dazu, dass er dessen Sichtweise auf diesen Konflikt nahezu vollständig zu übernehmen schien. Ihren vorläufigen Höhepunkt fand diese Entwicklung in einem als „Eklat im Weißen Haus bekannt gewordenen Ereignis: Der ukrainische Präsident Selenskyj weilte Ende Februar 2025 zur geplanten Unterzeichnung eines Abkommens zwischen seinem Land und den USA dort, das diesen Zugang zu ukrainischen Bodenschätzen sichern und so seinem Land Einnahmen ermöglichen sollte, mit denen Waffenkäufe und ein späterer Wiederaufbau finanziert werden könnten. Während eines Pressetermins im Weißen Haus begannen plötzlich der ebenfalls anwesende US-Vizepräsident JD Vance und Donald Trump selbst, Selenskyj verbal aufs Heftigste zu attackieren, beschuldigten ihn der Undankbarkeit und warfen ihm eine mangelnde Bereitschaft zur Beendigung des Krieges vor. (Später glätteten sich die Wogen wieder. Über das nach diesem Vorfall nicht mehr unterzeichnete Abkommen wurde neu verhandelt; dem Vernehmen nach wurden hierbei sogar für die Ukraine günstigere Bedingungen vereinbart als die in dem „geplatzten“ vorgesehenen.)

Bereits Mitte März änderte sich die Situation: Selenskyj erklärte sich bereit, auf den von den USA unterbreiteten Vorschlag einer 30-tägigen Waffenruhe ohne Vorbedingungen einzugehen. Dieser Vorstoß wurde jedoch von Russland umgehend abgelehnt; man sei an einer „langfristigen Lösung“ interessiert, hieß es. Als besonders irritierend (zumindest für westliche Ohren) muss wohl die weitere Begründung für diese Ablehnung angesehen werden: Schritte, die friedliche Aktionen imitieren, sind meiner Meinung nach in dieser Situation für niemanden nötig.“, erklärte Kreml-Sprecher Uschakow im russischen Fernsehen. Im Mai machte dann der russische Präsident Wladimir Putin selbst den Vorschlag direkter Verhandlungen zwischen seinem Land und der Ukraine. Wolodymyr Selenskyj stimmte zu und forderte seinerseits Putin zu einem persönlichen Treffen auf. Gespräche in Istanbul wurden anberaumt, und für den Fall einer Teilnahme Putins kündigte auch Donald Trump seine Bereitschaft an, dorthin zu reisen. Doch letztlich war der russische Präsident lediglich bereit, eine „hochrangige“ Delegation zu entsenden. Diese lehnte es jedoch offenbar ab, über einen Waffenstillstand auch nur zu sprechen, und so konnten bei dem Treffen am 15. Mai und einem Folgetreffen am 2. Juni jeweils nur (allerdings recht umfangreiche) Austausche gefangengenommener und gefallener Soldaten und die Rückführung einiger nach Russland verschleppter ukrainischer Zivilpersonen in ihr Heimatland vereinbart werden.

In der Folgezeit intensivierte Russland seine Angriffe immer weiter; insbesondere die Angriffe auf zivile Ziele und die Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung nahmen ein immer größeres Ausmaß an. Nach verschiedenen mehr oder weniger deutlichen Unmutsäußerungen Trumps in Richtung Putin (so erklärte er etwa am 26. Mai nach schweren mit ganzen Drohnenschwärmen und ballistiscben Raketen ausgeführten Luftangriffen auf nahezu die gesamte Ukraine, Putin sei „absolut verrückt geworden“. Außerdem schrieb er weiter, er habe immer gesagt, Putin wolle die ganze Ukraine und nicht nur ein Stück: Aber wenn er das tut, wird das zum Untergang Russlands führen!“ [tagesschau.de vom 26.05.2025, 7.21 Uhr]) schien ihm am 15. Juli endgültig der Geduldsfaden gerissen zu sein: Sollte sich Wladimir Putin nicht binnen 50 Tagen zu einer bedingungslosen Waffenruhe bereit erklären, würden weitere Sanktionen nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen seine Handelspartner verhängt werden. Am Ende des Monats legte er noch einmal nach und verkürzte diese Frist auf „zehn bis zwölf Tage.

Dies löste eine Welle teils hektischer diplomatischer Aktivitäten aus. Sie begannen mit der Ankündigung, dass Trumps Sondergesandter für den Ukraine-Konflikt, Witkoff, zu Gesprächen mit Wladimir Putin nach Moskau reisen werde. Der Termin für diese Reise lag jedoch erst am Ende der gesetzten Frist. Als Ergebnis der Gespräche wurde am 9. August verkündet, Trump und Putin würden am 15. August zu einem persönlichen Gespräch in Alaska zusammenkommen. Am 11. August kamen daraufhin zunächst die EU-Außenminister auf Initiative der EU-Außenbeauftragten, Kaja Kallas, zu digitalen Beratungen über das weitere Vorgehen zusammen. Auf Initiative von Bundeskanzler Friedrich Merz kamen am 13. August zunächst die Staats und Regierungschefs Italiens, Frankreichs, Großbritanniens, Polens und Finnlands mit ihm und dem eigens hierfür nach Berlin eingeladenen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu einer Videokonferenz zusammen. Beteiligt hieran waren auch die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, und NATO-Generalsekretär Mark Rutte. Diese Runde formulierte fünf Forderungen, die sie in einer weiteren Videoschalte US-Präsident Donald Trump zur Vorbereitung seines Treffens mit dem russischen Präsidenten übermittelte: „1. Bei Verhandlungen über die Ukraine müssten die Ukrainer am Tisch sitzen. 2. Verhandlungen müssten in der richtigen Reihenfolge erfolgen. Ein Waffenstillstand sollte laut Merz am Anfang stehen. 3. Sollte die Ukraine zu Verhandlungen über territoriale Fragen bereit  sein, müsse die sogenannte Kontaktlinie [die Frontlinie, an der sich die ukrainische und die russische Armee gegenüberstehen; Anm. Bernd Masmeier], die die Ostukraine durchläuft,  Ausgangspunkt sein. 4. Verhandlungen müssten robuste Sicherheitsgarantien für Kyjiw [Kiew] umfassen. 5. Verhandlungen müssten Teil einer gemeinsamen transatlantischen Strategie sein.“ Anschließend hieß es, diese Forderungen seien von Trump wohlwollend aufgenommen worden. Er selbst erklärte, er würde Selenskyj „eine 10 von 10“ geben.

Die Erwartungen an das Gipfeltreffen waren durchaus unterschiedlich: Während sich die europäischen Unterstützerstaaten der Ukraine nicht zuletzt wegen der Trump'schen Reaktion auf die Übermittlung ihrer Forderungen vorsichtig optimistisch zeigten und die Vereinbarung eines Waffenstillstands zumindest für möglich hielten, waren die selbst Betroffenen die Menschen in der Ukraine und ihr Präsident weit weniger optimistisch. Die Bürger*innen der Ukraine (und erst recht die für sie kämpfenden Soldaten) zeigten in Interviews wenig bis kein Vertrauen in die Verhandlungs- oder gar Friedensbereitschaft Wladimir Putins, äußerten aber dennoch schwache Hoffnungen auf eine „Atempause“. Und Selenskyj selbst hatte seinen eigenen Worten zufolge seine europäischen Verbündeten und Trump bei der Videoschalte gewarnt: Ich habe dem US-Präsidenten und all unseren europäischen Kollegen gesagt, dass Putin blufft.Putin versuche vor dem Treffen in Alaska, entlang der gesamten  ukrainischen Front Druck auszuüben. Russland versucht zu zeigen, dass es  die gesamte Ukraine besetzen kann. Er habe betont, dass keine  Gespräche über die Ukraine ohne Kiew stattfinden sollten.

Der vorsichtige Optimismus schien berechtigt zu sein. Zwar waren von US-Regierungsseite die Erwartungen an das Treffen vorab gedämpft worden: es gehe lediglich darum, erst einmal die Positionen der Gegenseite kennenzulernen. Andererseits hatte Donald Trump noch auf seinem Flug nach Anchorage nochmals betont, einen Waffenstillstand erreichen zu wollen. Was dann jedoch folgte, muss wohl mindestens als „ernüchternd“ beschrieben werden. Bereits die Empfangszeremonie dürfte bei vielen Beobachtern ungläubiges Staunen, wenn nicht gar Kopfschütteln, hervorgerufen haben: Die Bilder zeigten einen auf einem roten Teppich stehenden Donald Trump, der zu applaudieren begann, als Putin auf ihn zuschritt. Als Begrüßung folgte ein langes Händeschütteln und ein Schulterklopfen, bevor beide (!) in Trumps Präsidentenlimousine stiegen, die Richtung Tagungsort davonfuhr. Auf den Bildern mit dem anfahrenden Wagen war in dessen Innerem noch ein fröhlich lachender Wladimir Putin zu erkennen.

Musste schon dieser Empfang mindestens befremden immerhin handelt es sich bei dem so Empfangenen um eine Person, gegen die ein vom Internationalen Strafgerichtshof ausgestellter Haftbefehl wegen des Verdachts vorliegt, Kriegsverbrechen begangen zu haben – so konnten die inhaltlichen Ergebnisse (freundlich formuliert) allenfalls als spärlich“ bezeichnet werden. Auffällig war bereits, dass bei dem eher kurzen Presseauftritt im Anschluss an die etwa zweieinhalb Stunden dauernden Gespräche (bei dem übrigens Nachfragen nicht zugelassen waren) nicht Donald Trump als Gastgeber, sondern Wladimir Putin als erster das Wort ergreifen durfte. Der „bedankte“ sich gegen Ende der Veranstaltung, indem er auf englisch (!) ankündigte, das nächste Treffen werde in Moskau stattfinden und so seinen Gastgeber sichtlich in Verlegenheit brachte. In in seinem Statement erklärte er, die „Grundursachen“ des Konflikts müssten beseitigt werden was allgemein als Hinweis darauf gedeutet wird, dass Russland nicht gewillt ist, von seinen Maximalforderungen abzurücken. Zu diesen gehört u.a., die vier bereits einseitig zu russischem Staatsgebiet erklärten Oblaste offiziell als solches anzuerkennen ungeachtet der Tatsache, dass diese derzeit nicht einmal vollständig von russischen Truppen kontrolliert werden. Im Falle von Donezk hätte eine solche Anerkennung zur Folge, dass Russland ein Gebiet zufiele, das für eine Eroberung weiteren ukrainischen Territoriums von hoher strategischer Bedeutung wäre (Wladimir Putin ist bis heute erklärtermaßen nicht von seinem Vorhaben einer Eroberung der gesamten Ukraine abgerückt). Im anschließenden Statement Donald Trumps war sowohl von einem Waffenstillstand als auch von den für den Fall seines Nicht-Zustandekommens angedrohten neuen Sanktionen gegen Russland und dessen Handelspartner keine Rede mehr. Stattdessen würden jetzt unmittelbare Friedensverhandlungen angestrebt.

Journalisten und politische Beobachter waren sich weitestgehend einig: Wladimir Putin habe (fast) alle seine Ziele erreicht. Die Forderung nach einem sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand sei vom Tisch, die angedrohten Sanktionen ebenfalls; folglich könne er seine Angriffe auf die Ukraine und deren Zivilbevölkerung ungehindert und ungestraft fortsetzen und auch weiter an den Kämpfen völlig unbeteiligte Zivilisten töten. Der deutsche Top-Diplomat und frühere Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, sah ein ganz klares 1:0 für Putin... Für die Ukrainer nichts.“ Vorsichtig positiv fielen die Reaktionen der betroffenen Politiker aus. So betonte etwa Bundeskanzler Friedrich Merz, der wie die anderen europäischen Staats- und Regierungschefs (einschließlich Wolodymyr Selenskyj) am nächsten Morgen von Donald Trump telefonisch über die Ergebnisse des Treffens informiert worden war, am 16.08. in einem ARD-Interview, immerhin sei keine der von den Europäern am 13. August an Trump übermittelten Forderungen von diesem abgeräumt worden. Stattdessen sei von Trump erstmals eine Beteiligung der USA an Sicherheitsgarantien für die Ukraine im Rahmen eines möglichen Friedensabkommens in Aussicht gestellt worden. Zudem wurde an diesem Tag bekannt, dass Trump den ukrainischen Präsidenten für den 18.08. zu einem persönlichen Treffen ins Weiße Haus eingeladen habe, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Dass sich die USA bereit erklärt hatten, sich an Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu beteiligen, ließ selbstverständlich aufhorchen, hatte doch deren Vizepräsident kurz zuvor noch erklärt, sein Land sehe sich in dem Konflikt fortan lediglich noch in der Rolle des Vermittlers. Allerdings sah sich die Leiterin des ARD-Studios in Washington, Gudrun Engel, bereits in den ARD-„tagesthemen“ am Abend desselben Tages genötigt, diese „Zusage“ zu relativieren: ihren Informationen zufolge sei eine solche Beteiligung lediglich als eine Möglichkeit (probably“) erwähnt worden. Und im ARD-„Presseclub vom 17.08.2025 (dieses Video ist noch bis zum 17.08.2027, 23.59 Uhr, verfügbar) ging Christoph von Marschall, Diplomatischer Korrespondent der Chefredaktion beim Berliner „Tagesspiegel“, sogar noch weiter, indem er mit der Frage: Was für Sicherheitsgarantien?“, eine Darstellung der Maßnahmen einleitete, die er zu einer effektiven Sicherung des Friedens in einer nach wie vor von Russland bedrohten Ukraine für erforderlich hält – um daran den Hinweis anzuschließen, dass eine solche Mission allein von den europäischen Staaten und ohne auch von den USA gestellte Bodentruppen wohl kaum zu leisten sei. Und er stellte eine weitere (aus meiner Sicht die entscheidende) Frage in den Raum: Warum man jetzt Putin trauen solle, der bislang alle mit ihm geschlossenen Abkommen gebrochen habe.

Bereits kurz vor Beginn dieser „Presseclub“-Sendung war durchgesickert, dass Selenskyj bei seinem am nächsten Tag anstehenden Besuch im Weißen Haus von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und wohl auch“ (wie es in der Sendung hieß) von Bundeskanzler Friedrich Merz begleitet werden würde. Bis zum Abend erweiterte sich dieser Kreis noch beträchtlich: nach Abschluss einer Video-Konferenz, zu der sich auf Initiative von der Leyens eine Reihe europäischer Staats- und Regierungschefs mit ihr und dem eigens von ihr hierzu nach Brüssel eingeladenen ukrainischen Präsidenten zur Vorbereitung dieses Besuchs zusammengeschaltet hatten, stand fest, wer ihn nach Washington begleiten würde. Neben den beiden bereits Genannten (von der Leyen hatte erklärt, auf ausdrücklichen Wunsch Selenskyjs mitzureisen) waren dies: der französische Präsident Emmanuel Macron, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Finnlands Präsident Alexander Stubb, der britische Premierminister Keir Starmer und NATO-Generalsekretär Mark Rutte. Trump hatte die Erwartungen insbesondere der ukrainischen Seite an dieses Treffen bereits im Vorfeld gedämpft, indem er sowohl eine Rückgabe der Krim an die Ukraine als auch einen späteren NATO-Beitritt des Landes ausgeschlossen hatte. Was aber hatte er sonst noch im Angebot? Als wohl (zumindest aus seiner Sicht?) wichtigstes Ergebnis verkündete er nach einer Unterbrechung der Zusammenkunft für ein Telefonat mit Wladimir Putin –, er werde „in der nächsten Zeit“ ein Zweier-Treffen zwischen Selenskyj und Putin vorbereiten, dem dann ein Dreier-Treffen unter Einbeziehung seiner selbst folgen werde. Zudem schienen die Zusagen der USA, sich wie zuvor in einem Vier-Augen-Gespräch mit Trump von Selbskyj gefordert an Sicherheitsgarantien für sein Land zu beteiligen, etwas konkretere Formen anzunehmen. Angeboten worden sein soll von Trump eine Sicherheitsgarantie „wie in Artikel 5 des NATO-Vertrags“. Das würde bedeuten, dass ein Angriff auf die Ukraine wie ein Angriff auf deren Verbündete gewertet werden würde. Allein bei dieser Ankündigung bleiben allerdings bereits jede Menge Unklarheiten: Wer werden diese Verbündeten sein? Wie funktioniert eine solche Verpflichtung außerhalb des NATO-Vertrags? Und keinesfalls zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass Russland die Stationierung von Soldaten aus NATO-Staaten bislang kategorisch ausschließt. Auch die angebliche Bereitschaft zu einem baldigen Treffen zwischen Selenskyj und Putin wurde bereits am nächsten Tag vom russischen Außenminister Sergej Lawrow wieder relativiert: Selbstverständlich sei ein solches Treffen möglich; es müsse aber gründlich vorbereitet werden, wobei der Status der Verhandlungsdelegationen allmählich angehoben werden könne.

Auch vier Tage nach der Zusammenkunft im Weißen Haus ist völlig offen, wann (und ob überhaupt in absehbarer Zeit) ein Prozess zur Beendigung des Ukraine-Krieges in Gang gesetzt werden kann. Der russische Außenminister hat (möglicherweise als Reaktion auf Beratungen europäischer Staaten mit den USA, wie denn die ins Auge gefassten Sicherheitsgarantien für die Ukraine aussehen könnten) am 21. August noch einmal erklärt, dass sein Land eine Stationierung von Truppen europäischer Staaten in der Ukraine ablehnt. Bereits am 19. August hieß es in den ARD-„tagesthemen“, es gebe erste Anzeichen für Zweifel Donald Trumps an der tatsächlichen Friedensbereitschaft Wladimir Putins. Aufhorchen lässt auch eine Meldung auf tagesschau.de vom 22.08.2025, 12.44 Uhr. Darin wird nicht nur über eine Ankündigung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyjs berichtetet, sein Land wolle sich aus dem Dauerzustand der ständigen Verteidigung gegen russische Angriffe lösen und selbst aktiv zum Angriff übergehen“. (Putin verstehe nichts außer Macht und Druck“.) Vielmehr werden auch Äußerungen Donald Trumps wiedergegeben, die durchaus als eine Ermunterung für Selenskyj für das angekündigte Vorgehen verstanden werden können. Auf seiner Plattform „Truth Social“ hatte dieser demzufolge am Vortag geschrieben: Es ist sehr schwer, wenn nicht unmöglich, einen Krieg zu gewinnen, ohne das Land des Invasoren anzugreifen.“ Und weiter: Es ist wie bei einer großen Sport-Mannschaft, die eine fantastische  Abwehr hat, aber nicht offensiv spielen darf. Da gibt es keine Chance zu  gewinnen.

Meine Meinung: Dieser Artikel beinhaltet zwei Aspekte: einen vordergründigen (die Bemühungen, den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu beenden und einen für dieses Land akzeptablen und dauerhaften Friedensschluss zu erreichen) und einen gewissermaßen im Hintergrund schlummernden (die Frage, ob sich hieran die Entstehung [bzw. Herausbildung] einer neuen Weltordnung erkennen lässt und in welche Richtung diese gehen könnte). Zu beiden Aspekten möchte ich Stellung beziehen (wobei ich versuchen werde, mich kurz zu fassen):

1.: Die Sehnsucht nach Frieden ist nicht nur verständlich, sie ist sogar im höchsten Grade und im besten Sinne dieses Wortes „natürlich“. Dass es (gerade in diesem speziellen Fall des Ukraine-Krieges, aber durchaus auch allgemein) verschiedene Wege zum Frieden (genauer: zur Beendigung eines kriegerischen Konflikts) gibt, habe ich in meinem Artikel „Welcher Weg kann Frieden bringen? näher dargestellt, den ich bereits im Februar 2023 veröffentlicht habe. Gerade auch die Menschen in der Ukraine, die nahezu täglich den Schrecken und das Grauen russischer (Luft-)Angriffe erfahren müssen, und die Soldaten dieses Landes, die es mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen suchen und dabei täglich um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten müssen (und beides viel zu häufig auch verlieren) wünschen sich nichts mehr als Frieden. Aber trotz aller Kriegsmüdigkeit wünscht sich der übergroße Teil von ihnen einen gerechten Frieden, einen, der vor allem die Eigenstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Ukraine erhält und der nicht die Aggression belohnt, mit der Wladimir Putin seit nunmehr mehr als zehn Jahren ihr Land überzieht. Und natürlich hoffen auch die Unterstützer des Landes auf Frieden, kostet sie doch diese Unterstützung große Summen Geldes, die sie viel lieber in ihrem eigenen Land zum Wohle ihrer eigenen Bevölkerung investieren würden. Und natürlich wünscht sich auch diese genau dies, und letztlich gefährdet die so entstehende und wachsende Unzufriedenheit die Zukunft des demokratischen Systems in all diesen Ländern – auch in Deutschland. Da muss es selbstverständlich als ein großes Versprechen und eine unbedingt zu ergreifende Chance angesehen werden, wenn sich der Präsident des mächtigsten Landes auf diesem Planeten daran macht, einen solchen Frieden zu organisieren.
Aber: Sind diese Erwartungen, sind diese Hoffnungen berechtigt, sind sie auch nur einigermaßen realistisch? Sie wären es womöglich, hieße dieser Präsident nicht ausgerechnet Donald J. Trump! Um ehrlich zu sein: Die Entwicklung, die wir seit dem 15. August 2025 sehen und die ich in diesem Artikel zu skizzieren versucht habe, wundert mich nicht wirklich. Gewundert haben mich allerdings die starken Worte, mit denen er Wladimir Putin ein Ultimatum stellte und für dessen Nichterfüllung Russland und seinen Handelspartnern Sanktionen androhte. Wie komme ich zu dieser Einschätzung? Die Dokumentation „Die Akte Trump Im Schatten des Kreml macht deutlich, dass dieser Mann bereits zu Sowjetzeiten (!) Verbindungen nach Moskau hatte, von dort großzügig finanziert (und auch schon mal hinters Licht geführt) wurde und welchen Einfluss Russland und sein Geheimdienst nicht nur auf seine Wahl sowohl 2016 als auch 2024, sondern auch immer noch auf sein politisches Handeln genommen haben und immer noch nehmen. In Kenntnis dieser Dokumentation habe ich größte Zweifel, ob ausgerechnet Donald J. Trump der Mann sein kann, der diesen Krieg mit einem gerechten, d.h. mit dem Völkerrecht und den nach diesem zu achtenden Bestimmungen der ukrainischen Verfassung (die u.a. Gebietsabtretungen von einer mittels eines Referendums einzuholenden Zustimmung der Bevölkerung abhängig macht) in Übereinstimmung stehenden Friedensschluss zu beenden vermag. Wie schwierig dies angesichts der Ziele zu sein scheint, die Russland (zumindest nach Ansicht namhafter Experten) von Anfang an mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine verfolgt, mag ein bereits im November 2023 (!) in der ZEIT erschienener Artikel verdeutlichen, auf den ich unmittelbar vor dem Ende der Arbeit an dieser Veröffentlichung gestoßen bin. Wenn diese Einschätzungen zutreffen, könnten nicht nur Europa noch eine Reihe unruhiger und schwieriger Jahre bevorstehen insbesondere wenn man bedenkt, dass der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika seinerzeit nicht Donald J. Trump hieß.

2.: Wie ich eingangs kurz darzustellen versucht habe gehört die „bipolare“ Weltordnung, die sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelt hatte (und der Welt trotz aller Spannungen und Krisen während der Zeit des so genannten „Kalten Krieges (hier einfach erklärt) eine erstaunlich weitgehende Stabilität zu verleihen vermochte, längst der Vergangenheit an. Selbst wenn man für die Zeit danach wegen der sich entwickelnden weitgehenden politisch-wirtschaftlichen Dominanz der USA für einen kurzen Zeitraum von einer „unipolaren“ Weltordnung sprechen konnte, existiert auch diese längst nicht mehr. Tatsache ist allerdings auch, dass Russland längst nicht mehr über die Macht und den (politischen) Einfluss verfügt, über den einst die Sowjetunion verfügte den sich Wladimir Putin erkennbar sehnlichst zurück wünscht. Auch er dürfte allerdings sehen, dass in der Welt längst mehr Akteure politisch aktiv sind und sich die einst (möglicherweise aus seiner Sicht) ach so schöne lediglich von seinem Land und dem einzigen Gegenspieler USA bestimmte bipolare Weltordnung nicht wiederherstellen lassen wird. Die von ihm propagierte „multipolare Weltordnung scheint also bereits gegeben zu sein allerdings in einer anderen Gestalt, als er sie sich offensichtlich vorstellt. Das Treffen vom 18. August 2025 im Weißen Haus hat gezeigt, dass sich die Europäer zumindest intensiv darum bemühen, ihre Position einzubringen, und es ihnen zumindest teilweise gelingt, sich bei Donald Trump Gehör zu verschaffen. Es gibt noch weitere gewichtige Akteure, und Europa bemüht sich gerade, bei diesen „einen Fuß in die Tür zu bekommen“ (zu nennen wären hier etwa Brasilien, Indien oder Indonesien). Viel wird davon abhängen, ob man sie davon überzeugen kann, dass die zukünftige Weltordnung eher von freiheitlichen als von totalitären Ideen geprägt sein sollte.


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